Symposium GARDP – Public Health Schweiz


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Die Revision des Epidemiengesetzes sollte vom Bundesrat in Kürze vorgelegt werden. Sie soll u.a. dazu beitragen, diese stille Pandemie der Antibiotikaresistenzen wirksam zu bekämpfen. Im Rahmen des Symposiums wurden die damit verbundenen Herausforderungen umfassend diskutiert.

Die Antibiotikaresistenz in der Schweiz ist eng mit dem Rest der Welt verbunden. Wie kann sie bekämpft werden?

Am 21. November 2023 befassten sich in Bern renommierte Expert:innen mit dem Stand der Antibiotikaresistenz in der Schweiz und weltweit sowie mit den Herausforderungen, die diese mit sich bringt. Das Symposium wurde von GARDP und Public Health Schweiz organisiert und fand im Rahmen der "World AMR Awareness Week 2023" statt. Öffentliche und private Akteure des Gesundheitswesens, kantonale und eidgenössische Behörden, verschiedene Personen aus Politik und weiteren interessierten Kreisen nahmen aktiv daran teil.

Die Entdeckung des Penicillins durch Alexander Flemming im Jahr 1929 ermöglichte einen grossen Fortschritt für die öffentliche Gesundheit: Zahlreiche Menschen konnten von Krankheiten geheilt werden, die uns deshalb heute als harmlos erscheinen. Dennoch findet heute aufgrund von Antibiotikaresistenzen ein langsamer Rückschritt statt: Im Jahr 2019 sind nicht weniger als 1,27 Millionen Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien gestorben - mehr als an Malaria oder AIDS. Jeder Fünfte war ein Kind unter fünf Jahren. Auch in der Schweiz sterben jedes Jahr rund 400 Menschen infolge von Antibiotikaresistenzen.

Wie kann die Pandemie resistenter Infektionen auf nationaler Ebene wirksam bekämpft werden?

"Was in Indien passiert, kommt auch in meine Praxis", erklärt Carlos Quinto vom Vorstand der FMH. Aus Sicht des Hausarztes sind gute Rahmenbedingungen das Wichtigste, um den Antibiotikaverbrauch in der Schweiz zu senken: Praxislabors, genügend medizinische Praxisassistent:innen und Zeit für die Sprechstunden. Obwohl der Antibiotikaverbrauch niedriger ist als in vielen anderen Ländern, reisen die Menschen in unserem Land viel und bringen auf diese Weise mehr Resistenzen nach Hause.

"Der Kanton Bern stuft die Antibiotikaresistenz aufgrund des aktuellen Mangels an Medikamenten als grosses Risiko ein", so Barbara Grützmacher, Kantonsärztin des Kantons Bern. Bei der Präsentation der Umsetzung der Strategie Antibiotikaresistenz (StaR) im Kanton Bern - Patient- und Tierkontrolle - verweist sie auf die beispielhaften Massnahmen des Kantons Waadt und betonte die Heterogenität in den Kantonen der Schweiz. "Die inner- und interkantonale Koordination ist essentiell. Zudem braucht es verbindlichere Vorgaben, da sonst die notwendigen Aktivitäten an den mangelnden Ressourcen der Kantone scheitern. "

Stephan Harbarth, Leiter der Abteilung für Infektionsprävention und -kontrolle am Genfer Universitätsspital (HUG), erinnert daran, dass "das Screening auf Multiresistenzen unsere Priorität bei Patienten ist, die aus dem Ausland zurückkehren". Er zeigt auf, dass die Wahl ungeeigneter Antibiotika und ihre Mehrfachverwendung sowie nosokomiale Infektionen unsere Spitäler am stärksten betreffen. Auch Ausbrüche - die sich zu Epidemien hätten entwickeln können - kommen dort vor. Aufklärung, Screening, Hygiene und Vorschriften zur Kontrolle der Tier- und Umwelt sind die wichtigsten Ansätze zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen.

Die OECD zeigt, dass die Zahl der Todesfälle halbiert werden könnte, wenn die Schweiz sieben Franken pro Einwohner in die Antibiotikaresistenz investieren würde.

Die Situation in Spitälern kann schwierig sein, aber die Referent:innen betonen auch die grosse Lücke in Pflegeheimen: Oft fehlt es an Fachwissen und notwendigen Mitteln, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit resistenten Keimen professionell anzugehen. Umso wichtiger ist es, die Expertengruppe zur Infektionskontrolle in Pflegeheimen, die dieses Jahr mit Unterstützung von Public Health Schweiz ins Leben gerufen wurde, langfristig zu etablieren.

Internationale Perspektive und Lösungsansätze?

Esther Künzli vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut geht auf die internationale Situation ein: "Ohne aktive Bekämpfung der Antibiotikaresistenz wird sich das Problem drastisch verschärfen". Die Krise ist multifaktoriell und es handelt sich um eine One- Health-Problematik, die also Menschen, Tiere, aber auch die gesamte Umwelt betrifft: "Antibiotikafabriken in Ländern mit niedrigem Einkommen leiten manchmal Produkte ins Wasser ab und das ganze Ökosystem wird resistent". Die WHO teilt die Antibiotika je nach Risiko für die Resistenzentwicklung in drei Kategorien ein. Leider werden besonders risikoreiche Antibiotika in immer mehr Ländern in grosser Menge und manchmal ohne Rezept eingesetzt. Hinzu kommt der Mangel an diagnostischen Mitteln, Ausbildung von Fachkräften, Laboratorien und nicht zuletzt die Korrelation mit soziokulturellen Faktoren. Damit wird deutlich, dass das Problem nur interdisziplinär und auf globaler Ebene gelöst werden kann.

Eine Podiumsdiskussion mit Nora Kronig, Leiterin der Abteilung Internationales im Bundesamt für Gesundheit (BAG), Peter Beyer, stellvertretender Exekutivdirektor von GARDP, und Kathrin Huber, Generalsekretärin der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), zeigte auf, dass neben dem sachgerechten Einsatz von Antibiotika auch die Entwicklung neuer Antibiotika sehr wichtig ist. Weil dies für die Pharmaindustrie - auch für die Schweizer Industrie - oft nicht rentabel sei, brauche es die öffentliche Hand und philanthropische Organisationen, um die Bemühungen zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz zu stärken «Mit dem One-Health Aktionsplan 2024-2027 entwickeln wir im Rahmen der Umsetzung der Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) die Massnahmen zur Früherkennung und Überwachung, Prävention, Resistenzbekämpfung sowie Forschung und Entwicklung weiter», so BAG-Vertreterin Nora Kronig.

Der jüngste Erfolg der neuen Antibiotikatherapie gegen Gonorrhoe, die von GARDP in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) erreicht wurde, verdeutlicht die Grössenordnung der erforderlichen Mittel. Peter Beyer dankt für die Unterstützung vom Bund und des Kantons Genf, erinnert aber daran, dass diese klinische Forschung mehr Mittel erfordert, die von anderen Regierungen bereitgestellt werden. Ihm folgt Nora Kronig: "Ich bin überzeugt, dass man internationale Initiativen auch im eigenen Interesse der Schweiz unterstützen muss, und das Epidemiengesetz kann das Instrument dafür sein". Der Bundesrat plant nämlich, eine Teilrevision dieses Gesetzes vorzuschlagen und mehr Mittel könnten zur Eindämmung der Krise beitragen.

Corina Wirth, Geschäftsführerin von Public Health Schweiz, und Damien Somé, Leiter Aussenbeziehungen bei GARDP, fassen das Symposium zusammen: Antibiotikaresistenz ist eine schwere Belastung für die Wirtschaft, die internationale Zusammenarbeit ist entscheidend und erfordert erhebliche Investitionen in der Schweiz und weltweit, Überwachung und Forschung, Zugang und richtige Anwendung, Sensibilisierung und Ausbildung, Kontrolle und Prävention sowie die Anwendung bewährter Verfahren sind die Schlüssel zur Bekämpfung dieser "stillen Pandemie".

Dieses Symposium unterstreicht einmal mehr die Tragweite der Problematik, die nicht nur Gesundheitsorganisationen, sondern auch Expert:innen aus den Bereichen Bildung, Forschung, Umwelt und Soziales erfordert.