Public Health Schweiz: Seit 100 Tagen bist du im Amt – wie fühlt sich das an?
Bettina Maeschli: Sehr gut. Es ist immer noch vieles neu. Und es läuft sehr viel. Trotzdem habe ich bereits jetzt das Gefühl: Ich bin beruflich angekommen und an der richtigen Stelle.
Was hat dich in den ersten Wochen am meisten überrascht – im positiven wie im herausfordernden Sinn?
Ich lerne jeden Tag neue Menschen kennen. Wir sind zwar ein kleines Team auf der Geschäftsstelle, doch es ziehen im Umfeld enorm viele Leute mit. Von den Fachgruppen über den Vorstand und den vielen Partnerorganisationen und Allianzen. Es ist sehr viel Motivation da und es wird unglaublich viel ehrenamtliche Arbeit geleistet. Das hat mit dem grossen Netzwerk von Public Health Schweiz zu tun, das meine Vorgänger:innen aufgebaut haben. Das ist sehr wichtig – gerade jetzt, wo die Kürzungen in der Prävention vom Bund anstehen. Dass hier so stark gekürzt wird, ist für mich unverständlich. Besonders nach der Coronapandemie sollten wir eigentlich verstehen: Prävention ist zentral, verhindert viel Leid und spart nicht zuletzt Kosten. Hier den Rotstift anzusetzen ist falsch. Umso wichtiger ist die ausserordentlich gut vernetzte Allianz Gesunde Schweiz, welche wir mitbegründet haben, und sich aktiv gegen diese Kürzungen positioniert.
Wenn du deinen Start in einem Bild oder Wort beschreiben müsstest – was wäre es?
Wie schon gesagt: Ich bin angekommen. Nach einer langen Reise, die mir zum Teil verschlungen schien. Nun kommt aber alles zusammen, was ich bisher gemacht wie zum Beispiel den Master in Public Health, den ich während der Coronapandemie an der London School of Hygiene and Tropical Medicine absolvieren konnte. Ich möchte dieses Wissen und meine langjährigen Erfahrungen für Public Health Schweiz gewinnbringend einsetzen.
Was war dir beim Start besonders wichtig – erstmal zuhören, direkt loslegen oder etwas verändern?
Luege, lose, laufe – das Motto, das Kinder im Strassenverkehr lernen, begleitet mich durch die Startzeit. Ich höre insbesondere dem Team zu, dem Vorstand, Fachgruppenleitenden, Partner:innen, Mitgliedern. Zuhören, Verstehen, erste Pflöcke einschlagen, und gemeinsam mit Team und allen Partnerorganisationen den Verein für die Zukunft zu rüsten, um die öffentliche Gesundheit in der Schweiz weiter zu stärken.
Was macht Public Health Schweiz für dich besonders?
Public Health Schweiz steht für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz ein und will diese auf allen Ebenen stärken. Dazu arbeiten wir interdisziplinär mit verschiedensten Berufsgruppen, die für Public Health bedeutsam ist. Plattformen zu schaffen, diese Personen zusammenzubringen, verschiedene Perspektiven zu integrieren, um gemeinsam Lösungen zu finden: Das ist unsere Stärke. Ich höre in den Gesprächen immer wieder, dass unsere Stärke, Brücken zu bauen und teilweise auch Übersetzungsarbeit zu leisten, von Partnern äusserst geschätzt wird.
Wo hast Du gedacht: „Da steckt richtig Potenzial“ – oder auch: „Da muss sich was tun“?
Ich komme aus der Kommunikation. Ich denke, genau hier haben wir noch viel Potenzial. Wir können unsere Arbeit und die Anliegen von Public Health noch besser nach aussen tragen. Das ist wichtig, um gesehen zu werden. Nicht zuletzt haben wir sehr viel zu sagen. Dank unserer Fachgruppen und dem Fachrat ist sehr viel Wissen da. Dieses Wissen sichtbarer zu machen und in der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, daran möchte ich arbeiten.
Wenn wir mal drei/fünf Jahre vorspulen – wie sieht «Public Health Schweiz» dann idealerweise aus?
Dies ist aber eine Arbeit, die es gilt, gemeinsam mit Team, Vorstand, dem Fachrat, unseren Partnern und den Mitgliedern anzupacken. Darum haben wir auch letzte Woche eine erste Teamretraite unternommen, um unsere Aktivitäten zu reflektieren. Abschliessend möchte ich diese Frage nicht beantworten, da es ein gemeinsamer Prozess ist. Jedoch ist eine Vision, dass wir es schaffen, mehr Mittel zu generieren, um für die Verfolgung unserer Mission mehr Spielraum zu haben.
Was ist dir in der Zusammenarbeit mit Mitgliedern, Ehrenamtlichen und Partnern wichtig?
Dass wir ein gemeinsames Verständnis haben, wohin die Reise geht, und am selben Strick ziehen. Ich denke, es ist wichtig, sich immer wieder darauf zu fokussieren, worum es eigentlich geht. Und nicht zuletzt schöpfen wir daraus auch die Kraft, trotz sehr bescheidenen finanziellen Ressourcen eine Wirkung zu erzielen.
Besonders freut mich hier auch das grosse Engagement der Fachgruppen. Deren Mitglieder verfügen über enorm viel Fachwissen. Zudem sind sie quasi die “Späher” für neue Themen in der öffentlichen Gesundheit. Indem wir dadurch rasch neue Herausforderungen identifizieren können, bringen sie Public Health Schweiz voran. Die Fachgruppen sind eine exzellente Ressource, welche wir in Zukunft noch besser nutzen sollten und entsprechend auch stärken sollten.
Woran arbeitest du gerade konkret?
Natürlich beschäftigen mich unsere Veranstaltungen sehr, jetzt gerade die Swiss Public Health Conference, die im September in Lugano über die Bühne geht. Gleichzeitig gilt es auch, thematische Schwerpunkte zu setzen. Wir bearbeiten eine Vielzahl von Themen. Hier die Übersicht zu behalten und sich nicht zu verzetteln, ist nicht ganz einfach. Ich finde viele Themen sehr wichtig, so die Gesundheitsförderung und Prävention generell, die wir politisch besser verankern müssen. Mich würde es aber auch freuen, wenn wir uns im Bereich Global Health verstärkt engagieren und besser vernetzen. Ich engagiere mich seit mehreren Jahren im Vorstand von Solidarmed, einer Organisation, die Gesundheitssysteme in verschiedenen Ländern des südlichen Afrikas stärkt. Global Health ist zentral, denn Gesundheitskrisen halten nicht vor unserer Haustür. Das alles zusammenhängt, zeigt zum Beispiel die Problematik des Fachkräftemangel: Dieser führt dazu, dass Europa aktiv Personal aus dem Globalen Süden akquiriert, welches dann wieder dort vor Ort fehlt. Ein Teufelskreis.
Gibt’s Projekte, auf die du dich besonders freust?
Da gibt es einiges. Einerseits wollen wir nun Krebserkrankungen aufgrund einer HPV-Infektion in der Schweiz eliminieren. Da kann ich an meine Erfahrungen mit der Elimination der viralen Hepatitis, an der ich in den letzten zehn Jahren gearbeitet habe und für welche nun ein nationaler Eliminationsplan steht, anknüpfen. Hier hat sich nun eine Gruppe rund um die HPV-Allianz gefunden, die mit viel freiwilligem Engagement an diesem Ziel arbeitet.
Und als Geisteswissenschaftlerin freut es mich, dass die Swiss Public Health Conference 2026 die die interdisziplinäre Zusammenarbeit ins Zentrum stellen wird. Diese wird von der Universität Luzern am 2. und 3. September 2026 ausgerichtet unter dem spannenden Titel: «Public Health and the beauty of complexity». Aber zuerst bin ich gespannt auf die diesjährige Konferenz in Lugano, die ein überaus breites Angebot an Beiträgen zum aktuell viel diskutierten Thema der psychischen Gesundheit bieten wird und welche wir, d.h. die Swiss School of Public Health SSPH+ und Public Health Schweiz, dieses Jahr gemeinsam mit Università della Svizzera Italiana UPSI und der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana SUPSI durchführen.
Und wie können Mitglieder dabei mitmachen oder dich unterstützen?
Die Mitglieder machen die Basis unserer Arbeit aus. Natürlich freuen wir uns, wenn sie möglichst aktiv an unseren Aktivitäten teilnehmen und in Fachgruppen mitarbeiten. Und nicht zuletzt: Spread the word. Wir sind auf neue Mitglieder angewiesen! Denn nur gemeinsam sind wir stark.
Was motiviert dich ganz persönlich an dieser Aufgabe?
Ich freue mich sehr, dass ich in meiner neuen Position mich jeden Tag für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz stark machen darf. Public Health betrifft so viele Bereiche und verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Da ich schon im Studium geistes- und naturwissenschaftliche Disziplinen kombiniert habe – ich habe neben Philosophie noch Biologie und Russische Literatur studiert – und mein berufliches Leben immer mit verschiedenen Berufsgruppen gearbeitet habe, fasziniert mich diese Aufgabe hier ganz besonders.
Was machst Du eigentlich, wenn du mal nicht an Public Health Schweiz denkst – Du hast vorhin vom Velo gesprochen?
Ich bin sehr gerne auf dem Velo und nutze es als Transportmittel im Alltag, für die Abendrundfahrt nach getaner Arbeit oder in den Ferien, um zum Beispiel von meinem Wohnort Zürich aus ans Meer zu fahren.